Neuroendokrine Tumore des Pankreas
Neuroendokrine Tumoren des Pankreas (PETs) machen etwa 5% aller diagnostizierten Tumore der Bauchspeicheldrüse aus. Im Gegensatz zu dem viel häufiger auftretenden Bauchspeicheldrüsenkrebs (Tumore des so genannten exokrinen Teils der Drüse), ist die Langzeit-Lebenserwartung bei Patienten mit diesen Tumoren (PETs) deutlich besser. Während einige Tumore spektakuläre Hormonsyndrome verursachen können, gibt es auch die so genannten nicht-funktionellen Tumore.
I. Funktionelle Tumore der Bauchspeicheldrüse
Insulinom
Neuroendokrine Tumoren des Pankreas (PETs) machen etwa 5% aller diagnostizierten Tumore der Bauchspeicheldrüse aus. Im Gegensatz zu dem viel häufiger auftretenden Bauchspeicheldrüsenkrebs (Tumore des so genannten exokrinen Teils der Drüse), ist die Langzeit-Lebenserwartung bei Patienten mit diesen Tumoren (PETs) deutlich besser. Während einige Tumore spektakuläre Hormonsyndrome verursachen können, gibt es auch die so genannten nicht-funktionellen Tumore.
Wenn die neuroendokrinen Tumorzellen vorwiegend Insulin ausschütten, ein körpereignes Hormon, das den Zuckerstoffwechsel reguliert, spricht man von einem Insulinom. Die Inzidenz (Erstdiagnose/100.000 Menschen/Jahr) ist etwa 0,1-0,4/100.000/Jahr. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Insulinome treten in jedem Alter auf. Neunzig Prozent der Insulinome sind klein (<2 cm) und gutartig. Sie finden sich ausschließlich in der Bauchspeicheldrüse. Sehr selten treten multiple, synchrone oder metachrone Insulinome auf. In diesen Fällen sollte eine multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN-1) ausgeschlossen werden.
Die typischen Beschwerden sind wiederkehrende Unterzuckerungen und eventuell neurologische und psychiatrische Veränderungen. Insulinome sind sehr kleine Tumore. Ihr Nachweis ist daher oft schwierig. Da Insulinome ausschließlich in der Bauchspeicheldrüse vorkommen, kann die Diagnose durch eine Endosonographie gestellt werden (Abb. 1). Hierfür steht in der hiesigen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechsel ein erfahrenes und überregional bekanntes Team zur Verfügung.
Die Therapie ist in erster Linie operativ. Da 90% der Insulinome gutartig sind, ist in der Regel nach einer Operation keine weitere Therapie notwendig. Seit 1987 haben wir in Marburg fast 50 Patienten mit Insulinomen operiert. Dies ist auf Grund der Seltenheit der Tumore eine herausragende Zahl, national wie auch international.
Gastrinom (Zollinger-Ellison-Syndrom, ZES)
Gastrinome sind Tumoren der Bauchspeicheldrüse oder des Dünndarmes, die Gastrin produzieren. Dieses Hormon regt die Zellen der Magenschleimhaut dazu an, einen Überschuss an Magensäure zu bilden. Ausgeprägte Geschwüre (Ulzerationen) des Magens und des Zwölffingerdarms sind bei 90-95% aller Patienten mit Gastrinomen das Leitsymptom. Insbesondere das Wiederauftreten von Geschwüren nach operativer Magenteilentfernung sowie Komplikationen der Geschwürkrankheit wie Blutungen aus dem Magen-Darm-Trakt und perforierten Geschwüren (Magendurchbruch) weisen auf ein Gastrinom hin. Der vermehrt in die Speiseröhre zurückfließende Magensaft führt manchmal auch zu Sodbrennen. Zusätzliche können Durchfälle auftreten.
Die Inzidenz des Gastrinoms beträgt 1-5/1 Million/Jahr, die Prävalenz wird mit 0,1% aller Patienten mit Ulzera duodeni angegeben. Der Manifestationszeitraum liegt zwischen dem 2.-5. Lebensjahrzehnt. Das Intervall zwischen ersten Symptomen und Diagnosesicherung beträgt 4-6 Jahre. Etwa 60 % der sporadischen Gastrinome sind bösartige, jedoch gut differenzierte Tumore mit einer Wachstumsfraktion <10 %. Schnell wachsende, bösartige Tumore finden sich in 25 % der Gastrinome. Rund 25 % aller Gastrinome sind Teil eines MEN-1-Syndroms. Bei Diagnose sind bis zu 2/3 der bösartigen Gastrinome bereits metastasiert. Zwischen 30-50% der Gastrinome liegen außerhalb der Bauchspeicheldrüse. Der Tumor ist dann meist in der Wand des Zwölffingerdarms zu finden und oft nur wenige Millimeter groß.
Die primäre Therapie ist die Operation. Nach biochemischer Sicherung des ZES und Ausschluss einer diffusen Fernmetastasierung sollte jeder Patient der chirurgischen Exploration zugeführt werden, auch und gerade wenn die präoperative Lokalisation der Tumore nicht gelungen ist. Der erfahrene Chirurg findet mit Fingerspitzengefühl beim Abtasten der Bauchspeicheldrüse und der Dünndarmwand bzw. mit intraoperativen Ultraschall einen Großteil der Primärtumoren. Nach Resektion der sporadischen pankreatischen Gastrinome durch Enukleation bzw. distaler Pankreasresektion oder Exzision der Duodenalwandgastrinome persistiert oder rezidiviert das ZES in 40-60% der Fälle, dennoch ist die Langzeitprognose gut. Eine frühere Diagnosestellung und Überweisung in ein chirurgisches Zentrum können die Ergebnisse verbessern.
Auch beim ZES im Rahmen eines MEN-1-Syndroms ist bei biochemischem Nachweis und nach Sanierung eines ggf. synchron vorliegenden pHPT unserer Meinung nach auch die Indikation zur Operation gegeben, wenn keine diffuse Lebermetastasierung vorliegt. Dieses aggressive Vorgehen führt beim MEN1-ZES zwar nur selten zu einer biochemischen Heilung, garantiert aber ein Langzeitüberleben, da es das Auftreten von Lebermetastasen als entscheidenden negativen prognostischen Faktor verhindert.
Bei Inoperabilität und progressiver Erkrankung ist die Chemotherapie mit Streptozotocin und 5-FU oder Doxorubicin das Mittel der Wahl. Rund 50% der Patienten erreichen damit eine Verlängerung der Überlebenszeit. Die symptomatische Therapie erfolgt mit Protonen-Pumpen-Inhibitoren (PPI, z.B. „Pantozol"). PPIs hemmen in nahezu allen Patienten erfolgreich die Säuresekretion und damit die klinische Symptomatik des Gastrinoms.
Andere funktionelle neuroendokrine Tumore der Bauchspeicheldrüse
Andere funktionelle Tumore der Bauchspeicheldrüse sind extrem selten. Ein Vipom bildet Vasoaktives Intestinales Polypeptid und schüttet dieses Hormon ungeregelt aus. In der Folge kommt es zu schweren Durchfällen. Beim Glukagonom wird Glukagon ausgeschüttet. Leitsymptom ist ein schweres Exanthem (Erythema necrolyticum migrans) und eine Erhöhung des Blutzuckers
II. Nicht-Funktionelle Tumore der Bauchspeicheldrüse
30-35 % der neuroendokrinen Tumore der Bauchspeicheldrüse sind nicht-funktionell, das heißt, sie produzieren keine Hormone. Sporadische Tumore werden zwischen dem 5.-6. Lebensjahrzehnt manifest. Nicht-funktionelle Tumore können, vor allem bei MEN-I-Syndrom, multipel vorliegen und dann auch gleichzeitig mit funktionellen Pankreastumoren auftreten. Bei fehlender Funktionalität erfolgt die Diagnose relativ spät. Erste Symptome - abdominelle Schmerzen (35-55 %), ein tastbarer Tumor (10-40 %), Gewichtsverlust (30-45 %) - sind durch das raumfordernde Tumorwachstum bedingt. Bis zu 25 % der Tumore werden zufällig als "Inzidentalom des Pankreas" diagnostiziert.
Für die Diagnose ist die Abgrenzung gegen ein Bauchspeicheldrüsenkarzinom wichtig. Hierzu wird die Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie eingesetzt. Erhöhte Serumkonzentrationen der Tumormarker Chromogranin A oder pankreatisches Polypeptid (PP) können die Diagnose "Neuroendokriner Tumor" stützen.
Die Operation ist auch bei großen Tumoren die Therapie der Wahl. Die 5-Jahres Überlebensrate beträgt 44-63%. Der Einsatz der Biotherapie (Somatostatin-Analoga oder Interferon-A) ist in manchen Fällen erfolgreich. Die Chemotherapie mit Streptozotocin und 5-FU oder Doxorubicin gilt als medikamentöse Standardtherapie. Bei möglicherweise sehr langsamem Tumorprogress ist die Indikation hierzu individuell, in Abhängigkeit von der Wachstumsdynamik, zu stellen.